Mieterräte gegen Mieterhöhungen bei den Landeseigenen

von Heike Külper und Andreas Tietze

Seit dem 01. Januar 2024 gilt eine neue Kooperationsvereinbarung zwischen dem Land Berlin und den landeseigenen Wohnungsunternehmen. Darin sind unter anderem Regelungen enthalten, die Mieterhöhungen von durchschnittlich 2,9% jährlich, in Einzelfällen auch mehr, möglich machen. Mieterräte der landeseigenen Wohnungsunternehmen (LWU) kritisieren in einer medial vielbeachteten Stellungnahme (Berliner Morgenpost, Berliner Zeitung, nd, taz, Mieterverein, RBB-Abendschau) die neue Kooperationsvereinbarung zwischen dem Land Berlin und den LWU.

Der Mieterrat der Gesobau spricht sich gegen die in der neuen KoopV enthaltenen Möglichkeiten für Mieterhöhungen durch die LWU aus. Es ist nicht fair von der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung, Bauen und Wohnen, die MieterInnen mit Mieterhöhungen zu belasten, um den LWU mehr Einnahmen zu ermöglichen. Mit diesen Einnahmen soll der teure Neubau mitfinanziert werden. Die Finanzierung von Neubau ist jedoch nicht die Aufgabe der BestandsmieterInnen, sondern eine Pflicht des Landes Berlin.

Darum hat der MR eine gemeinsame Stellungnahme von fünf Mieterräten der sechs LWU mitunterzeichnet.

Wir veröffentlichen im Folgenden die gemeinsame Stellungnahme der Mieterräte von Howoge, Gewobag, Gesobau, Stadt und Land und WBM.

Undemokratisches Vorgehen bei der Verabschiedung der Kooperationsvereinbarung mit dem Berliner Senat und den landeseigenen Wohnungsunternehmen

Sehr geehrte Damen und Herren,

wir wenden uns heute an Sie, um unsere tiefe Entrüstung über die jüngst getroffene Entscheidung zur Kooperationsvereinbarung zwischen dem Berliner Senat und den landeseigenen Wohnungsunternehmen (LWU) auszudrücken. Wir kritisieren dabei insbesondere die undemokratische Vorgehensweise, die Mieterräte der LWU als Vertretung der etwa 1 Million Mieterinnen und Mieter von dieser folgenreichen Diskussion gänzlich auszuschließen.

Die Vertretung von Mieterinteressen in den LWU durch die Mieterräte ist gesetzlich verankert. Ihre Mitglieder sind demokratisch gewählte Vertreterinnen und Vertreter, deren Standpunkte in Diskussionsprozessen von großer Bedeutung für die Mieterinnen und Mieter sind und berücksichtigt werden sollten.

Wir missbilligen dieses Vorgehen ausdrücklich und sind sehr besorgt darüber, dass die Kooperationsvereinbarung zum gravierenden Nachteil der Mieterinnen und Mieter ohne eine Beteiligung der Mieterräte verabschiedet werden konnte.

Ihre Vereinbarung wird in den kommenden Jahren soziale sowie finanzielle Schäden bei rund 1 Million Berliner Mieterinnen und Mieter verursachen und könnte deren Vertrauen in Politik und Verwaltung erheblich mindern.

Die Mieterräte setzen sich stets dafür ein, die Wohnqualität in den Anlagen zu verbessern und die Kommunikation zwischen den Mietern und den LWU zu fördern. Ihre Expertise sowie ihr klarer Auftrag aus der Mieterschaft machen die Mieterräte zu einem unverzichtbaren Bestandteil von Entscheidungsprozessen und Lösungen, die die Anliegen und Bedürfnisse der Mieterinnen und Mieter berücksichtigen. Aus diesem Grund ist es im Sinne der Demokratie nicht nachvollziehbar, dass uns eine Stellungnahme zur Entscheidung über die Kooperationsvereinbarung versagt wurde.

Für eine faire Zusammenarbeit appellieren wir eindringlich an Sie, künftig sicherzustellen, dass die Mieterräte frühzeitig in alle mieterrelevanten Vorhaben einbezogen werden und Ihnen eine Stellungnahme ermöglicht wird. Eine transparente und offene Kommunikation zwischen den Mieterräten, den LWU und dem Berliner Senat ist entscheidend, um die Interessen der Mieterinnen und Mieter bestmöglich zu vertreten und gemeinsam tragfähige Lösungen zu entwickeln.

Stellungnahme zur neuen Kooperationsvereinbarung aus der Sicht der Mieterräte

Die neue Kooperationsvereinbarung hat den Untertitel „Leistbare Mieten, Wohnungsneubau und soziale Wohnungsversorgung“. Sie hat diesen Titel nicht verdient, sondern entpuppt sich als Augenwischerei.

Die Vereinbarung des frisch gewählten Senats von Berlin mit den landeseigenen Wohnungsbaugesellschaften fordert von deren Mietern die Hinnahme der folgenden Rahmenbedingungen:

  1. Bis zuletzt war eine jährliche Mieterhöhung auf 1 % pro Wohnung begrenzt. Ab 2024 gilt, dass alle 3 Jahre die Miete um bis zu 11 % erhöht werden darf. Eine Umfrage unter städtischen Vermietern hat ergeben, dass sie für 2024 bei insgesamt 130.000 Wohnungen Mieterhöhungen planen.
  2. Nach Beendigung von Modernisierungsmaßnahmen müssen Mieter diese mit einer außerordentlichen Erhöhung ihrer Miete von bis zu 2 Euro pro Quadratmeter ihrer Wohnfläche refinanzieren.
  3. Es gibt zwar eine Kappungsgrenze für die Nettomiete. Sie gilt aber nur dann, wenn die Mietpartei nachweisen kann, dass die verlangte Miete mehr als 27 % des Haushaltsnettoeinkommens ausmachen würde.

Zu den 3 Punkten im Einzelnen:

Ad 1: Egal, in welchem Zustand sich eine Wohnung befindet und wie hoch die zusätzlichen Betriebskosten sind, die genannten Mieterhöhungen dürfen in steter Regelmäßigkeit für den gesamten Bestand der städtischen Wohnungen vollzogen werden. Dies wird deutlich zu stetigen Steigerungen der Mietspiegelpreise beitragen, obwohl der öffentliche Wohnungsbestand gerade die gegenteilige Aufgabe hat, nämlich preisdämpfend zu wirken.

Und wie werden diese generellen regelmäßigen Mieterhöhungen gerechtfertigt? Sie werden verlangt, um den benötigen Neubau in Berlin anzuschieben und so dem Wohnungsmangel entgegenzuwirken.

Nur warum sollen für diese Problematik die Bestandsmieter zur Kasse gebeten werden? Sie haben keine Schuld am gegenwärtigen Wohnungsmangel und den Versäumnissen der Wohnungspolitik in der Vergangenheit. Städtischer Neubau ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe. So etwas wird mit Steuermitteln finanziert, damit die Last sozial gerecht verteilt wird.

Ad 2: Die LWU müssten eigentlich in ihrer Vorbildfunktion für den privaten Wohnsektor ihre Modernisierungsumlagen nicht nur finanziell absenken, sondern auch befristen. Nachdem die Kosten abbezahlt sind, sollte auch die Umlage befristet sein für die Mieter. Dies ist eine überfällige politische Forderung für die bundesweite Mietengesetzgebung. Die öffentliche Hand in Berlin könnte sie bereits jetzt vormachen.

Zudem ist es nötig, dass die Mieterschaft bei Bau- und Modernisierungsmaßnahmen Mitbestimmungsrechte erhält, damit sie genau die Neuerungen bekommt, die sie auch gutheißt. Dies kommt dem sozialen Miteinander zugute und führt zu besserer Verständigung zwischen Mietern und Wohnungsunternehmen. Dafür gibt es längst eine Reihe an positiven Beispielen.

Ad 3: Die wichtigste Kritik zur neuen Kappungsgrenze lautet: ihre Berechnung bezieht sich nur auf die Nettomiete, statt auf die real zu zahlende Bruttomiete einschließlich der Betriebskosten. Tatsächlich werden Mietern oftmals bei Einbeziehung der Betriebskosten Summen von bis zu 40 % des Nettoeinkommens zugemutet. D.h. die jetzt definierte Kappungsgrenze auf 27 % stellt leider ein beschönigendes Belastbarkeitsversprechen dar.

Darüber hinaus etabliert die geschaffene Kappungsgrenze eine faktische Zumutbarkeitsklausel für die gesellschaftliche Mitte: Alle Bestandsmieter sollen die regelmäßigen Mieterhöhungen als Normalität akzeptieren, so lange ihre Kosten gerade noch unterhalb ihrer individuellen Kappungsgrenze liegen. Aber wer garantiert der Mieterschaft entsprechende parallele Lohn- und Rentenerhöhungen als Ausgleich? Die Inflationsspirale wird weiter hoch getrieben, die finanzielle Lage verschlechtert sich.

Unsere Forderungen sind:

  1. Rückkehr zur Begrenzung der Mieterhöhungen nach vorheriger KoopV
  2. bei Neubauten ein 5-jähriger Mietenstopp
  3. Absenkung und Befristung der Modernisierungsumlage
  4. Mitbestimmungsrechte von Mietergremien einlösen und weiter entwickeln
  5. Alternative Finanzierungsmodelle für Neubau entwickeln

Mieterrat Howoge

Mieterrat Gewobag

Mieterrat Gesobau

Mieterrat WBM

Mieterrat Stadt und Land

Gemeinsame Stellungnahme. Veröffentlicht am 20.12.2023

Wenn Sie den Protest gegen diese Kooperationsvereinbarung unterstützen möchten, können Sie die hier verlinkte Petition unterschreiben.

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